Im Immobilienmanagement bleiben noch viele Potenziale ungenutzt
Mithilfe moderner technologischer Lösungen lassen sich beim Management von Immobilieninvestments erhebliche Produktivitätsgewinne erzielen. Dass die entsprechenden Möglichkeiten in der Praxis oft nicht umfassend genutzt werden, liegt weniger an fehlenden Technologien als an der Bereitschaft, diese konsequent zu nutzen. Darüber sprach The Property Post mit Richard Gerritsen, Senior Director bei Yardi Systems.
The Property Post: Herr Gerritsen, seit Jahren hören wir, die Immobilienbranche sei im Vergleich mit anderen Branchen bei der Digitalisierung im Rückstand. Gleichzeitig sind in den vergangenen Jahren immer mehr Proptechs an den Markt gegangen, um genau dieses Problem zu lösen. Was läuft da schief?
Richard Gerritsen: An Proptechs und an Technologien, die sie für die unterschiedlichsten immobilienwirtschaftlichen Aufgabenstellungen anbieten, herrscht wirklich kein Mangel. Von dieser Seite her gesehen, sind die Voraussetzungen für die nötige Transformation im Real Estate Investment Management durchaus gegeben. Woran es in der Praxis vor allem aufseiten der potenziellen Nutzer fehlt, sind Visionen, wie man künftig arbeiten könnte und möchte.
TPP: Wie macht sich das konkret bemerkbar?
R. G.: Neben ESG gibt es konkret drei große Themenbereiche, die in der heutigen Situation sehr wichtig sind und mit der vorhandenen Technologie signifikant verbessert werden können. Bessere Risikoabschätzung, neue Businessmodelle wie Flex-Office-Vermietung und Kosteneinsparung durch Automatisierung. Dennoch stellen wir immer wieder fest, dass in diesen Bereichen anwendbare Innovationen nicht genutzt werden, obwohl sie längst zur Verfügung stehen. Viele Immobilienmanager sehen keinen Return-on-Investment, und viele Mieter und Investoren fragen bislang auch noch nicht danach, weil ihnen die entsprechenden Visionen ebenfalls fehlen. Der Wert vieler technologischer Entwicklungen in der Immobilienwirtschaft wird nicht oder nur sehr wenig erkannt und geschätzt.
TPP: Wen sehen Sie da in der Verantwortung, etwas zu ändern, und wie könnte das geschehen?
R. G.: Grundsätzlich muss die Initiative für eine Transformation bei den Unternehmen selbst liegen. Wer dafür intern nicht bereit ist, wird sich auch kaum von der Vertriebspräsentation eines Proptechs überzeugen lassen. Umgekehrt werden diejenigen den Nutzen und den wirtschaftlichen Wert neuer Lösungen viel besser und zutreffender beurteilen können, die selbst eine klare Vorstellung davon haben, wo sie als Organisation mittelfristig, beispielsweise in etwa drei bis fünf Jahren, stehen wollen. Diese Unternehmen haben dann in der Regel auch konkrete Ziele im Hinblick auf Effizienz, Produktivität und Profitabilität. Sie wissen, dass man nur mit Kosteneinsparungen allein auf Dauer nicht erfolgreich sein wird. Und sie erkennen auch, dass der Wettbewerb um die besten Talente immer härter wird, und dass es auf Dauer ohne ein modernes, innovatives Arbeitsumfeld kaum möglich sein wird, gute Fachkräfte im Unternehmen zu halten.
TPP: Welche Veränderungen beobachten Sie aktuell im Umfang mit den Immobilien im Rahmen des Real Estate Investment Managements?
R. G.: Die Mieter beziehungsweise Nutzer befinden sich aktuell häufig in Veränderungsprozessen, die sich auch auf ihre Anforderungen an Immobilien auswirken. Das sehen wir auch an unserem eigenen Beispiel. Wo wir früher 700 oder 800 Quadratmeter Bürofläche brauchten, kommen wir inzwischen mit deutlich weniger aus, weil mehr als früher auch von zu Hause oder von unterwegs beim Kunden aus gearbeitet wird. Gleichzeitig ändern sich aber auch die Anforderungen, beispielsweise an die vorhandenen Datenanschlüsse, an die Klimatechnik oder an die Energieeffizienz. Der Service gegenüber den Mietern wird also insgesamt wichtiger als das bloße Überlassen von Flächen.
TPP: Was bedeutet das für Immobilieninvestoren?
R. G.: Wir müssen verstehen, dass jemand, der heute die gleiche oder eine ähnliche Miete zahlt, wie vor fünf Jahren, dieses Geld keineswegs mehr für dieselbe Gegenleistung ausgibt. Die Erwartungen bezüglich der Gegenleistungen haben sich verändert und werden sich auch immer weiter verändern. Leider ist bei vielen Asset Managern der Hunger nach Veränderung nicht besonders groß. Für sie stellt sich aber, ob sie wollen oder nicht, ganz klar die Frage: Wollen wir führen und bei den Innovationen, die Mieter und Nutzer erwarten, entsprechende Angebote unterbreiten können? Oder wollen wir zu den Letzten gehören, die sich an diese Entwicklungen anpassen?
TPP: Welche Rolle kommt dabei modernen Softwarelösungen für das Immobilieninvestmentmanagement zu?
R. G.: Die verfügbaren Tools und Lösungen könnten die Effizienz und Produktivität erheblich steigern, wenn sie denn richtig, das heißt umfassend und konsequent, eingesetzt werden. Wer nur hier und da einzelne Teilprozesse digitalisiert, verschenkt das enorme Potenzial, das die Digitalisierung uns bietet. Generell können wir immer wieder feststellen, die benötigten Daten und Tools sind da, sie werden nur nicht oder zuwenig genutzt.
Erstveröffentlichung: The Property Post, 26. Juli 2023 – Technologien brauchen Visionen I Bild: Laura Hermans